Aufgewacht

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Wärmebildkameras (WBK) werden immer beliebter, jetzt bringen auch deutsche Hersteller erste Modelle. Wir vergleichen das Zeiss DTI 3/35 mit einem Modell mit ähnlichen Kenndaten.

Von der Verarbeitung waren wir positiv überrascht, die Kamera macht einen sehr wertigen Eindruck und liegt mit rutschfester Gummiarmierung sicher in der Hand. Durch das konische Design und die oben in Reihe liegenden Bedientasten ist die DTI mit beiden Händen gleichermaßen gut bedienbar – bei der Jagd ein nicht zu unterschätzender Vorteil, denn oft werden WBKs auf dem Hochsitz mit links gehalten, um das rechte Auge zu schonen, falls durchs Zielfernrohr geschaut werden muss.  Auch wenn man mit dem Auto durchs Revier fährt, wird die Kamera mit links bedient.

 

Die Bedienknöpfe sind groß und erhaben und lassen sich auch mit dünnen Handschuhen gut erfühlen und bedienen, nur der Power-Button ganz vorn zum Ein- und Ausschalten liegt auf einer Ebene mit dem Gehäuse. Was uns allerdings negativ auffiel, war ein leichtes Klicken beim Drücken der Tasten. Bei einer jagdlichen WBK sollte man so etwas tunlichst vermeiden – ein Fuchs auf 50 m warf sofort auf und empfahl sich schleunigst, als die Zoomtaste gedrückt wurde. Der Zoom ist in 0,5er Schritten ausgeführt – sehr angenehm, da man von der optischen Vergrößerung (2,5fach) ganz fein um das 4fache Hochzoomen kann. In der Praxis haben wir meist nur die ersten vier Stufen (bis zum zweifachen optischen Zoom) genutzt, da es danach so pixelig wird, dass die Detailerkennbarkeit stark leidet. Das ist aber normal und bei anderen Modellen auch so. Die Einschaltzeit ist recht lang – satte 11 Sekunden, bis die Kamera vollständig hochgefahren war. Durch kurzes Drücken der Power-Taste wird die WBK aber in den Standby-Modus versetzt und ist nach einem weiteren kurzen Druck sofort wieder an. In der Praxis empfiehlt es sich, nicht ganz abzuschalten, um sofort auf Geräusche oder Bewegungen reagieren zu können. 

Der fest eingebaute, nicht wechselbare Akku macht das mit, wir haben gute sechs Stunden Laufzeit im Standby-Betrieb mit gelegentlichem Hochfahren etwa alle 5-10 Minuten für einen Rundumblick und gelegentliches längeres Beobachten von Wild gemessen. Wenn eine Leuchte vor dem schwächelnden Akku warnt, lässt der sich mit einer Powerbank aufladen. 

 

Die kleine LED (grün im Standby-Modus/rot Akku-Warnung) ist aber das zweite Ärgernis bei der Jagd – in einer dunklen Kanzel stört das Licht sehr. Wir haben die LED daher abgeklebt – dann sieht man natürlich auch die Akku-Warnung nicht mehr... Die Zeiss DTI 3/35 kalibriert (Anpassung des Sensors an die Umgebungstemperatur) sich selbständig – sehr schnell und auch leise. Wer will, kann im Menü aber auch auf manuell umstellen. Durch kurzes Drücken der Menütaste kann auch der Farbmodus verstellt werden (Black Hot, White Hot, Red Hot und Rainbow-Modus), wir haben meist Hot Weiß oder Schwarz benutzt. 

Innere Werte

Die Wahl von Sensor und Bildschirm entspricht der Preisklasse, verbaut wurde ein VOX Sensor mit einer Auflösung von 384 x 288 Pixeln bei einem Pixelabstand von 17 μm und einer Bildwiederholungsrate von 50 hz. Die Bilddarstellung übernimmt ein großes Display (Auflösung: 1 280 x 960 Pixel). Die optische Grundvergrößerung liegt bei 2.5 (Sehfeld: 19 auf 100 m). Die Frontlinse, ein Germanium Objektiv, hat einen Durchmesser von 35 mm – ein guter Kompromiss für Wald- und Feldjäger. Die Detektionsreichweite gibt Zeiss mit 1 235 m an. Mit an Bord sind zudem noch Aufnahmefunktionen für Video und Foto – entweder in einen 15 GB-Internspeicher oder als Livestream zu externen Geräten wie Smartphones. Über die WLAN-Funktion kann mit der Zeiss Hunting App die WBK mit dem Handy verbinden. Videos oder Bilder lassen sich auch so problemlos aufs Handy laden. 

Eindrücke im Revier 

Um die Werte des DTI3/35 besser beurteilen zu können, haben wir uns ein Vergleichsgerät besorgt – Liemkes Keiler 35 pro (2019 Version) hat nahezu identische Technik-Werte – VOX Detektor mit 384 x 288 Pixel Auflösung, 50 hz Bildwiederholungsrate, 35 mm Germaniumobjektiv, 2,5fache Grundvergrößerung, 19 m Sehfeld und ein Display mit einer Auflösung von 1 280 x 960 Pixel. Wir haben absichtlich die 2019er Version gewählt, weil die noch 17 μm Pixelabstand hat, während die 2020er jetzt 12 μm hat. Technisch sind beide Geräte damit sehr nahe beieinander und auch vom Gehäuse her gut vergleichbar. Die Länge ist fast gleich, das Zeiss mit 450 g lediglich 30 g schwerer (Herstellerangabe). Unsere Waage zeigte aber lediglich 428 g, das Gewicht ist also auch identisch. Die Keiler 35 ist derzeit wohl eine der meistverkauften WBKs im mittleren Preissegment und daher ideal als Vergleichsgerät. Die grüne  „Stör-LED“ findet sich leider auch bei der Keiler 35, deren Tasten klacken aber nicht so laut wie beim Zeiss.

Links ein Reh, rechts ein Hase, die im Display in höhere Qualität erkennbar sind, als mit der internen Fotofunktion aufgenommen.

 

Die Bildqualität des Zeiss ist beeindruckend gut und das Bild nicht zu hell. Rotwild auf 350 m zu identifizieren und auch nach Größe anzusprechen (Tier, Kalb, Hirsch) war kein Problem. Sauen im Feld ließen sich auch noch auf 600 m als solche erkennen und bei einem Bock war auf Kurzdistanz (50 m) auch das Bastgehörn gut zu sehen. Auch bei leichtem Regen war bis auf 150 m Wild noch problemlos auszumachen. Die feine 0,5er Zoomabstufung ist sehr angenehm, wenn man mal etwas näher rangehen will, um Details besser zu erkennen. Wenn's zu pixelig wird, geht man einfach um eine halbe Vergrößerungsstufe zurück und hat so die optimale Bildqualität.

Bei dem Liemke (rechts) ist die Zoomabstufung nicht so fein, das Bild etwas heller als beim Zeiss.

 

Dabei ist die Keiler etwas im Nachteil, die sich nur um 2x oder 4x hochzoomen lässt. Bei Bildqualität, Erkennungsreichweite und Akkulaufzeit konnten wir keinen Unterschied feststellen, außer dass das Zeiss-Bild einen Tick dunkler ist, was bei Nacht angenehmer ist und weniger die Augen belastet. Sehr gut gefielen bei der Zeiss die Befestigungspunkte für den Trageriemen an der Unterseite, der ein sehr bequemes Tragen vor der Brust beim Pirschen ermöglicht. Resumee: Zeiss bietet  mit der DTI 3/35 eine sehr wertig verarbeitete WBK mit hoher Leistung an und gewährt zudem zwei Jahre Garantie – wenn man sie binnen vier Wochen nach dem Kauf registriert, gibt's sogar ein Jahr Garantie obendrauf! Zum Lieferumfang gehören Tragetasche, Trageriemen, USB-Kabel, Netzstecker, Bedienungsanleitung und Reinigungstuch. 

Die Zeiss WBK hat leichte Vor-, wie Nachteile gegenüber der Liemke, preislich sind sie vergleichbar.

 

Die Zeiss DTI 3/35 liefert sich mit der bewährten Liemke Keiler 35 Pro ein Kopf-an-Kopf-Rennen, was bei identischen technischen Daten auch wenig verwundert. Die Nase etwas vorn hat sie durch die feinere Zoom-Abstufung, dafür ist das Knopf-Geräusch etwas lauter. Die Bedienknöpfe mit der Zoomwippe in der Mitte gefielen uns sehr gut und sind im Dunkeln leicht bedienbar. Bleibt der Preis – UVP ist 2 950 €, wobei UVP ja immer unverbindlich heißt – im Netz gibt's die DTI 3/35 schon für 2 700 bis 2 850 €. UVP für Liemkes Keiler Pro (2020 Version mit 12 μm Pitch) ist 2 695 €, der Straßenpreis liegt bei etwa 2 500 bis 2 600 €. Der Unterschied ist also mit 200 bis 300 € ziemlich gering. Die Kaufentscheidung sollte nach einem eigenen Test mit beiden Geräten fallen, optisch sind beide sehr gut. Norbert Klups

  

Zeiss-Stellungnahme


Zu den Kritikpunkten erhielten wir von Zeiss folgende Stellungnahme:

Zum Klicken: Würde man auf ein gewisses Klicken bei der Bedienung von Tasten („haptisches Feedback“) verzichten, gäbe es zwar keine Geräusche, aber den Nachteil, die Bedienung quasi komplett blind durchzuführen. Dadurch kann Unsicherheit entstehen (Habe ich einen Knopf gedrückt, welche Taste habe ich gedrückt ?). Daher  haben wir uns bewusst für marktüblich laute Klickgeräusche entschieden. In der Entwicklung und danach konnten wir keinen Einfluss auf das Verhalten von Wild feststellen. Da wir unsere Geräte in Labor und Praxis stetigen Tests unterziehen, werden wir auf Ihre Kritik verstärkt achten und ggf. nachjustieren. Zum LED- berstrahlen: Akkustand und Gerätestatus könnte man auch im Display anzeigen – mit der Gefahr, dass man das Ausschalten vergisst und die WBK bei der nächsten Jagd  nicht zur Verfügung steht. Auch bei längeren Ansitzen wäre es ärgerlich, wenn man zu spät bemerkt, über eine Powerbank nachzuladen. ZEISS hat sich daher bewusst für eine LED entschieden. Wir konnten keinen Einfluss beim Beobachten von Wild in der Nacht feststellen, werden dies aber weiterverfolgen. In sehr dunkler Umgebung kann man die Helligkeit bei Bedarf mit einem milchigen Klebesteifen abdimmen.