Was ist ein toter Jagdhund wert?
Nach § 90 a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sind Tiere keine Sachen und werden durch besondere Gesetze geschützt. Allerdings sind auch auf Tiere weiter die Vorschriften anzuwenden, die für Sachen gelten – soweit im Gesetz nicht anderes bestimmt ist.
Daraus folgt, dass bei schuldhafter Tötung – etwa durch fehlgeleitete Schüsse auf einen Hund bei der Jagd – einschlägige Vorschriften im Schadensrecht (§§ 249 ff. BGB) anwendbar sind. Der Unglücksschütze schuldet dann auf dem recht unpräzisen Weg der sog. Naturalrestitution einen Zeitwert-Ersatz. Dessen Bestimmung ist allerdings sehr schwierig, weil der tierische Jagdbegleiter je nach Ausbildungsstand, Alter und Erfahrung im Lauf des Lebens anfänglich zunächst im Wert steigt und mit schwindender Lebenserwartung wieder sinkt. Angebot und Nachfrage können ein Bild des Marktgeschehens geben, verbunden mit der Frage, was für tierische Jagdhelfer vor dem Tod als Kaufpreis erzielt worden wäre. Anhaltspunkte bieten die Angebote kommerzieller Anbieter für entgeltliche Ausbildung – teilweise abgerechnet nach einer Basisvergütung und erfolgsabhängiger Prämie, abhängig von der erreichten Punktzahl bei Prüfungen. Dazu bieten Züchter fertig ausgebildete Jagdhunde an – oder Ausbilder, die Welpen beim Züchter kaufen, um sie nach Ausbildung und Prüfung weiter zu veräußern. Wertbildende Faktoren sind ferner Rasse, Prüfungsergebnisse, individuelle Fähigkeiten sowie der Zuchtwert – den kann man für einen Jagdhund mit (sehr) guten Eigenleistungen und entsprechendem Exterieur (äußere Eigenschaften/Erscheinungsbild) vermuten, besonders wenn Eltern und frühere Vorfahren mit ebenfalls guten Leistungen nachgewiesen werden können. Dabei muss unterschieden werden, ob eine echte Zuchtwertschätzung erfolgen kann, wenn mit dem Hund bereits gezüchtet wurde und die Leistung der Nachkommen beurteilt wurde, während bei Junghunden nur ein erwarteter Zuchtwert (nach Angaben zu Vorfahren) geschätzt werden kann. Eine andere Methode bewertet neben dem fiktiven Wiederbeschaffungswert den Aufwand an Geld und Zeit für Züchtung und Ausbildung. Dazu könnte man theoretisch bei Jagdhunden den betriebsnotwendigen Arbeitsaufwand in Anlehnung an den entsprechenden Arbeitsbedarf bei der Haltung landwirtschaftlicher Nutztiere ermitteln. Unterscheiden muss man dann die normale Haltung pro Tag und den Zeitbedarf zur Ausbildung aller Disziplinen – begonnen beim Stubengehorsam bis zu jagdspezifischen Prüfungsfächern.
Wertermittlung je nach Ausgangssituation
Daraus folgt, dass ein echter Marktpreis zum Schadenersatz eigentlich nur ermittelt werden kann, wenn ein getöteter Jagdhund erst kurz zuvor erworben wurde – sonst ist der Preis zu schätzen (simulierter Marktpreis). Aktuelle Tax-Listen des Jagdgebrauchshundverbandes JGHV (www.jghv.de) können dazu Anhaltspunkte geben – aber nur als Vorbereitung einer individuellen Bewertung – ohne einen jagdkynologischen Sachverständigen wird man als Ersatzberechtigter nicht weiterkommen. Solche Spezialisten sind keine Hunde-Mathematiker – können also nicht einfach den Wert schätzen, sondern müssen sich auch mit Verhaltensbiologie und Psychologie von Hunden in Theorie und Praxis befassen. Als Besonderheit kann man bei Schweißhunden den Ertragswert ihrer Arbeitsfunktion herleiten, orientiert an der Zahl erfolgreicher Nachsuchen und der durchschnittlichen Strecke an gerettetem Wildbret. Daraus ermittelt man den Wildbret-Ertrag und projiziert ihn auf die zu erwartende Restarbeitszeit... wenn der Hund den Vorfall überlebt hätte. Auch der Zuchtwert kann weiterhelfen – mit durchschnittlichen Welpenpreisen als wesentlichem Faktor. Konkrete Vorgaben bzw. verbindliche Taxationslisten gibt es dazu nicht, jeder Einzelfall bedarf einer exakten und sachverständigen Untersuchung, um die Anspruchshöhe (§§ 249 ff. BGB) schlüssig darzulegen und das Gericht zu überzeugen (§ 286 Zivilprozess-Ordnung/ZPO).
Abzüge bei Mitverschulden
In der überwiegenden Zahl von Tierschäden wird ein Mitverschulden des Halters zu berücksichtigen sein (§ 254 BGB). Daunter fallen unangemessene Verhaltensweisen wie Nicht-Festhalten beim Annähern anderer Hunde und im Prinzip sämtliche Erwägungen, die bei aller Vorsorge zur Annahme führen, dass ein Geschädigter wegen Nachlässigkeit mit dem Schaden hätte rechnen müssen. Kaum beachtet ist im Zusammenhang mit Schadenersatzprozessen die sog. Schätzvernehmung (§ 287 Abs. 1 Satz 3 ZPO): Das Gericht kann dazu den Beweisführer (Kläger) zum Schaden selbst vernehmen (Gutachten in eigener Sache). Diese Vorschrift ermöglicht dem Geschädigten, einen geltend gemachten Schaden durch Eigenvernehmung zu beweisen. Entscheidend ist, dass sich daraus eine gewisse Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Schaden ergibt. Mindestanforderung dafür ist die Fähigkeit des Klägers selbst, zur Höhe des Schadens substantiiert, überzeugend und widerspruchsfrei vorzutragen. Er muss also exakte Angaben dazu machen können, wofür welche Zeit er in die Ausbildung investiert hat und mit welchem Preis er ernsthaft hätte rechnen können, wenn er eine Verkaufsabsicht gehabt hätte. Dabei darf natürlich nicht verkannt werden, dass Geschädigte (besonders bei so emotional belasteten Vorfällen) das eigene Schicksal mit aus der Luft gegriffenen Zahlen zu überhöhen versuchen werden...
In Anbetracht der erdrückenden Beweislast für Geschehensverlauf und Schadenshöhe sowie nicht unerheblicher Kosten für Sachverständigen-Gutachten (also einem hohen Prozess-Risiko auf Klägerseite) sind der Fantasie beim Aufbau von Verhandlungsmasse und der Kalkulation eines Schadens aus vielen Positionen keine Grenzen gesetzt. Obwohl Hunde häufig durch Fremd-verschulden zu Tode kommen, gibt es dazu kaum Veröffentlichungen, so dass man annehmen muss, dass Vergleiche mit eintrittspflichtigen Tierhalter-, Privat- und Jagdhaftpflichtversicherungen der Vorzug gegeben wird – oder die Parteien im Prozessvergleich zueinander finden. Deshalb gibt keine öffentlich zitierfähigen Urteile. RA Dr. Walter H. Jäcker, stv. Justiziar Landesjagdverband NRW